Die Veganerin

Links: Ein paar Jahre vor meiner ersten „Offenbarung“.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Unpersönliche Blogs sind irgendwie eher uninteressant. Wenn ich einen Blog mag, will ich mehr über die Person wissen. Wenn ich einen Blog eher uninteressant finde, dann meist weil ich nicht das Gefühl bekommen habe, die Blogger irgendwie kennenzulernen. Da das möglicherweise anderen genauso geht, stelle ich erstmal vor wie ich zum Veganismus gekommen bin.

Ich wurde 1989 in eine liebevolle omnivore Familie geboren. In Berlin aufgewachsen, war ich weit entfernt von allen Tieren die nicht zur Insekten oder Haustiergruppe gehören, die Straßentauben mal ausgenommen.

Ich war schon immer ein Mensch mit einer Portion „zu viel“ Mitgefühl. Dass das nicht nur für Menschen gilt wurde mir schon sehr früh klar. Der erste große „Klick-Moment“ meines Lebens kam bei mir recht früh: Ich war im Alter von 5 Jahren mit meiner Mutter an der polnischen Ostseeküste und ich liebte es dort – bis wir an einem Fischtanker vorbei kamen. Ich erinnere mich nicht an viel, außer dass mich der Anblick der toten Fische so schockiert hat, dass ich kein Fisch mehr essen konnte. Mit sechs  musste ich mir dann bereits von Eltern von Freunden von mir anhören, dass das doch nicht normal sei – „Ein Kind, dass keine Fischstäbchen isst? Das gibt’s doch garnicht!“

Auch heute noch habe ich einen starken Ekel gegenüber Fisch, der nicht mit meiner rationalen Antitierprodukt-Haltung erklärbar ist. Wenn es irgendwo nach totem Fisch riecht wird mir sofort übel, anschauen geht schon gar nicht.

Wie ich zum ersten Mal von Vegetarismus gehört habe, weiß ich nicht mehr. Nur, dass ich mit sieben zum ersten Mal den Wunsch äußerte keine Tiere mehr essen zu wollen. Als besonders wichtig würde ich dabei Gespräche dieser Art nennen:

Ich: Pferd/Hase/Kalb/irgendein anderes süßes Tier – Das esse ich nicht!!!
Eltern: Aber du isst doch auch Hühner, Schweine und Kühe. Da ist doch kein Unterschied.
Ich: …

Und Sie hatten Recht. Das war kein Unterschied.  Die einzige Konsequenz war mir bald klar.
Ab dem 7. Lebensjahr also versuchte ich mich immer wieder als Vegetarier. Meine Eltern waren verständnisvoll, wenn auch kritisch. Und als Kind fand ich es sehr schwer, wenn meine ganze Familie Fleisch as, nur die Beilagen zu essen. Das gleiche galt für den Hort in dem ich bis 11 mein Mittag as. Besonders, da es damals grundsätzlich keine vegetarischen Optionen gab. Wenn ich Pech hatte hieß dass manchmal Reis ohne Sauce essen. Nach Monaten von Vegetarismus, kam dann immer wieder etwas das mich rausriss – beispielsweiße eine Bratwurst oder andere Würstchen, also immer Fleisch das nicht mehr nach Tier aussah.  Aber das schlechte Gewissen war dann immer fest mit dabei. Und je mehr Diskussionen ich mit Leuten hatte, desto klarer war, dass ich ganz überzeugt davon war, dass Fleisch essen falsch war – auf jeden Fall auf einer moralischen Ebene.

Mit zehn besuchte ich mit meiner Familie die Expo 2000 in Hannover. In einem der Pavillions wurde ein Stück aufgeführt, dass unter anderem Fleischkonsum mit Menschenrechten und Umweltschutz thematisierte. Ich war regelrecht beflügelt – endlich hatte ich handfeste gute Argumente. Mir selbst war „Ich fühle, dass es richtig ist“ ja immer genug gewesen, aber besonders argumentativ überzeugend war dies natürlich nie gewesen. Ich fühlte mich bestätigt und nahm mir vor, endlich konsequent auf Fleisch zu verzichten.

Eine weiterer Aha-Moment war bei einer Ausstellung in Berlin, in der Werke von Damien Hirst zu sehen waren. Damals schlug das hohe Wellen, denn  die Kunst fand nicht nur ich als Kind verstörend: In Scheiben geschnittene Kühe und Schafe in Formaldehyd.  Zu sehen wie ähnlich doch, dass Innenleben all dieser Tiere aussah, beeindruckte mich stark.

Mit 12 kam ich gerade von einem Ausflug meines Gymnasiums zurück. Wie viele anderen hatte ich mir bei McDonalds einen Burger gekauft – ein Chicken Burger. Alle anderen Tiere kamen bei mir nie mehr auf den Tisch, aber in Form gepresstes Huhn kam immer noch ab und zu vor. Ich weiß nicht wieso es mir so schwer viel. Ich stand also am U-Bahnhof und wartete auf die Linie U9, biss in den Burger und dachte darüber nach, was für ein schlechtes Argument „es ist so lecker“ und „ich finde das so schwer aufzugeben“ doch war. Ich aß keine Gelatine, wieso wurde ich dann doch immer mal wieder schwach bei einem Burger? Konnte ich den Tod eines Tieres so wirklich rechtfertigen? Nein. Ich musste endlich vollständig konsequent sein. Wie konnten Leute meine Tierrechtsstandpunkte ernst nehmen, wenn ich trotzdem ab und zu eine Ausnahme machte? Die paar Burger konnten es nicht wert sein.

So wie es fünf Jahre dauerte bis ich vom „Ich will Vegetarier sein“ zum „Ich bin strikter Vegetarier“ wurde, so dauerte es auch bei Veganismus. Mit 13 wurde ich zum ersten Mal damit konfrontiert, als ich eine Veganerin traf, die „nicht mal Honig!“ as. Aber die Vorstellung nie wieder Käse zu essen? Das klang nach einem Albtraum.

Mit 14 wurde mir von einer Ärztin empfohlen weniger Milchprodukte zu essen, da ich Verdauungsstörungen hatte. Als ich aufhörte jeden Tag Joghurt und Quark zu essen, ging es mir bereits viel besser.

Mit 15 verbrachte ich dann ein Austauschjahr in Holland. Mein Essverhalten veränderte sich und passte sich meiner Gastfamilie an (abgesehen davon, dass ich vegetarisch aß…) und zufälligerweise gab es dort sehr wenig Käse und ich konnte mir das schleichend abgewöhnen. Ich begann mich zum ersten Mal bewusst mit Tierrechten und Ernährung zu beschäftigen, ein Thema das mich vorher schon interessierte, aber ich mich zum ersten Mal traute auch wissenschaftlicheres zu lesen.

Nach meinem Austauschjahr war mir klar: Wenn Moral mein Hauptgrund für Vegetarismus war, dann konnte ich andere Tierprodukte nicht wirklich logisch erklären. Ob Massentierhaltung oder andere Züchtung – ich hatte einfach kein Recht mir Nahrung von diesen Tieren zu holen. Sicherlich nicht, wenn ich einen Supermarkt voller anderem Essen vor der Nase hatte und nicht hungern musste.

Seit ich 17/18 bin, bin ich nun also Veganerin. Was enstand aus einem Bauchgefühl, ist 100% Überzeugung geworden. Dennoch bin ich immer bereit meine Annahmen zu hinterfragen. Das ist mitunter schwer, aber wichtig, denn Tierrechte sind zu einem der wichtigsten Themen in meinem Leben geworden. Ich beschäftige mich teilweise sogar in meinem Studium damit und hoffe vielleicht noch weiter in die Richtung zu gehen. Besonders geprägt hat mich hierbei Peter Singer. Mein Freund (Omnivore) hielt mir „Praktische Ethik“ hin, als ich ihn kennenlernte. Wie kann so was nicht wahre Liebe sein?

Ich blogge nun bereits seit vielen Jahren. Veganinberlin entstand vor 2010. Drei mal wurde schon der Server geändert. Zunächst bloggte ich auf Englisch und Deutsch, was mir aber zu anstrengend wurde. Ich habe miterlebt und erlebe mit wie Veganismus aus einem Nicht-Thema zu einer diskutierten Möglichkeit geworden ist. Ich hoffe, ich kann mit diesem Blog ein wenig dazu helfen. Besonders hoffe ich, ein paar Informationen über Ernährung zusammenzufassen und andere Thesen kritisch zu hinterfragen, da die deutsche vegane Sphere doch noch recht arm an Fakten und Wissenschaft ist. Ich hoffe, dass ändert sich auch in der nächsten Zeit.

 

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Lea

23 Kommentare

    1. ja – da pflichte ich dir bei!!
      Obwohl ich weder Veganerin noch Vegetarierin bin, essen meine Töchter sehr wenig Fleisch, die jüngere kaum. Und von ihr kenne ich sehr viele Menues, die prima sind.
      Diese Seite von Lea ist wunderschön, besonders der Artikel über die Belgienreise gefällt mir !! – LG gisela

  1. Liebe Lea, eine nachvollziehbare Geschichte Deines Vegan-werdens. Ja, die Hotdog(-würstchen) bei IKEA waren wohl Dein letzter Fleischkonsum. Gut wenn all das vegane Essen so gut schmecken würde wie bei unserem letzten Treffen im Kopps!

    WVat

    1. Hallo Walter,

      Die Hotdogwürstchen hab ich vor Huhn aufgehört, aber die waren auch eher spät, ja.

      Gut wenn all das vegane Essen so gut schmecken würde wie bei unserem letzten Treffen im Kopps!

      Mhm, ich weiß nicht genau was du meinst. Genauso wie Essen mit Fleisch nicht immer gut schmeckt, schmeckt veganes Essen nicht immer gut. Das hat wenig mit vegan oder nicht vegan zu tun.

  2. Mit 7 schon die ersten vegetarischen Erfahrungen gesammelt, ich ziehe den virtuellen Hut! In dem Alter wusste ich noch nicht mal was ein Vegetarier ist 🙂

    Ich wurde zum Fleischesser erzogen, mit solchen Sprüchen wie: „Damit du groß und stark wirst“. Ich habe Fleisch auch nie gemocht, außer es war so weit verarbeitet, dass es mich nicht mehr an Fleisch erinnert hat. Leider konnte ich mich nie so durchsetzen wie du … wird heute alles nachgeholt 😉

    1. Das mit dem virtuellen Hutziehen dachte ich mir auch!
      Ich wurde zwar relativ „fleischarm“ aufgezogen, aber dennoch mit Fleisch, Milchprodukten usw. Ich finde es auch total bewundernswert, dass viele schon in so jungen Jahren entscheiden, kein Tierleid mehr verursachen zu wollen. Total toll und inspirierend!

      liebe Grüße,
      Maria

      1. Dass meine Familie recht Fleischarm gegessen hat, wird mir auch erst jetzt klar, wenn ich beispielsweise die Familie meines Freundes sehe. Bei uns zu hause gab es eigentlich immer auch Gemüse, Salat und Nudeln/Brot/Reis. Das Fleisch weglassen ging es meistens einfach. Und wenn man dann eine Familie hat die drauf achtet die Saucen vielleicht nicht schon alle übers Essen zu geben, geht das auch. Aber bei meinem Freund in der Familie wäre das wahrscheinlich nicht so einfach gegangen. Ich denke da gibt es viele Familien für die Fleisch noch viel zentraler ist.
        Bei mir zu Hause gab es beispielsweise auch manchmal Nudeln mit Arrabiatasoße. Da ist niemand auf die Idee gekommen zu sagen „wo ist hier das Fleisch??“

    2. Ich denke, diese assoziationen von fleisch und „groß und stark“ werden sind in manchen Generationen noch sehr stark. Meine Großeltern denken das auch sicher immer noch. So lange bin ich nun Vegetarier, aber ich letztes wegen einer kleinen Sache eine OP hatte, kam natürlich doch von meinen Großeltern „ob das nicht doch an der Ernährung liegt…? Ich mein ja nur.“

      Ich glaub sowas dauert sehr lange bis das aus den Köpfen weg ist Deswegen ist es ja auch schon so wichtig wenn Menschen überhaupt irgendwie Veganer kennen oder von ihnen wissen und wissen, dass sie ganz normal leben.

  3. Hey! Nachdem ich dir oben schonmal meine Bewunderung für deinen Lebensweg mitgeteilt habe, habe ich dir jetzt einen virtuellen „Award“ verliehen.. für meine liebsten Blogs 🙂
    Die Seite dazu findest du hier: http://the-vegan-way.blogspot.de/2012/07/liebster-blog-award.html

    Ob du das Ganze weitermachen möchtest, überlasse ich aber dir, weil ich persönlich damit einen gewissen „Zwang“ verbinde.. ich hoffe aber, dass du dich freust und ich wiederum freue mich auf weitere tolle Beiträge von dir! 😀

    gaanz liebe Grüße,
    Maria ♥

  4. Hallo!
    Ich habe gerade die sehr lieben Kommentare auf meinem Blog gelesen. Amüsant, amüsant, wie man sich so wiederfindet.
    Ich kann mich auch gut an dich erinnern. (Und erkenne dich sogar auf dem Foto oben wieder!) Vielleicht möchtest du mir nochmal eine Mail schreiben?
    Ich freu mich!
    Lisa

  5. Liebe Lea,
    vielen Dank für deinen Kommentar auf meinem Blog. Die Bezeichnung „leiser Aktivismus“ finde ich sehr schön 🙂

    Deine Geschichte ist übrigens sehr beindruckend. Ich wurde auch früh, mit 10 oder so, zum Vegetarier. Aber bis zum Vegansein hat es dann noch einmal 15 Jahre gedauert. Hättest du vielleicht Lust, deine Geschichte auf meinem Blog zu teilen?

    Herzliche Grüße aus Düsseldorf,
    Carina

  6. Hi,

    I loved reading this! Well hopefully google translate got most of it right 🙂
    I’ve just come to Berlin from Australia and would love any help or advice you may have.
    I’m a lifelong vegan myself. Looking to hopefully stay here for 1 year if I can find somewhere to live and work.
    Sorry i’m yet to learn German (both my grandparents came to Aus almost 50yrs ago, so my mum can speak Deutsch, but sadly I cannot).

    Danke!

  7. Ich bin Grade über instagram auf deinen Blog gestoßen und sehr beeindruckt von deiner persönlichen Geschichte! Interessanterweise lief das bei mir ganz ähnlich: mit 7 Vegetarierin (mein Lieblingssatz war damals „Tiere sind meine Freunde und meine Freunde esse ich nicht.“ Ein Zitat von Shaw, das meine Mutter mir gezeigt hat.) und mit dem Auszug von zu Hause mit 18 der Umstieg zur veganen Ernährung. Und jetzt studiere ich auch Philosophie und werde mich vielleicht mal auf Tierethik spezialisieren. Ich freue mich schon mehr von dir zu lesen und zu sehen!
    Jana

    1. Hallo Jana, Ich freue mich von dir zu lesen. Leider habe ich meinen Blog die letzten Monate vollkommen vernachlässigt aber das ändert sich hoffentlich bald wieder. An welcher Uni studierst du denn Philosophie wenn ich fragen darf?

      Liebe Grüße, Lea

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