Lindsay Nixon von Happy Herbivore feiert gerade ihr 1 Jähriges Jubiläum von “I’m not ‘vegan’ anymore“. Vor einem Jahr entschied sie sich, dass die böse vegane Polizei gewonnen habe und sie nun keine Veganerin mehr sei, weil sie so viele böse Kommentare zu ihrem Honigkonsum und anderen Dingen die angeblich nicht vegan genug seien. Sie kocht jetzt nicht mehr vegan sondern “plant-based”, was im Endeffekt essenstechnisch keinen Unterschied macht. Von der Herangehensweise allerdings schon. Aber auch in Deutschland muss man für so etwas nicht weit weg schauen, sondern findet ähnliche Aussagen bei dem Liebling der Deutschen Attila Hildmann.
“Die Veganazis haben mich aus ihrem elitären Veganclub ausgeschlossen. Was mach ich jetzt bloß? Darf ich noch Obst, Gemüse und Tofu essen? *grübel* Und wie nenn ich mich jetzt bloß? Fleischkoch, der nur mit Pflanzen kocht? haha ihr”
Dieses ständige Lederschuhthema treibt mich doch tatsächlich morgen in den Nike Store. Mein Unwort des Jahres: “ethisch motivierte Ernährungsweise” Beim Anbau von euren Möhren werden bei der Ernte auch Häschen geschreddert. Bei mir stand am Anfang auch u.a. der Tierschutz aber ihr könnt doch nicht Leute in eure “Ethik” zwingen…
Nixons Bezeichnung der “Vegan Police” wirkt fast noch putzig im Gegensatz zu Hildmanns “Vegan-Nazis”. Ist es berechtigt Veganer die andere selbst-bezeichnete Veganer kritisieren als Polizei (staatliche Machteinheit) oder als Nazis (faschistisch und nationalistisch) zu bezeichnen? Wohl kaum.
Veganer bedeutet nun mal mindestens, dass man sich vegan und nicht-tierisch ernährt und eigentlich eben auch, dass man den Versuch macht andere Nutzung von Tierprodukten zu meiden. Letzteres ist schwer, viel schwerer als der Ernährungsaspekt. Es geht hier ja nicht nur um Lederschuhe oder nicht, Tierprodukte ziehen sich durch die ganze menschliche Nutzung. Inwieweit setze ich ein Statement oder helfe den Tieren wenn ich kein Bus mehr fahre wegen den unveganen Reifen?
Die erste Frage die das ganze aufwirft ist folgende: Ist es okay sich Veganer zu nennen aber (beispielsweise) Honig zu essen?
Und zweitens: Wenn es nicht “okay” ist, was passiert denn dann?
Und letzteres ist fast der interessantere Punkt. Denn es gibt keine vegane Polizei. Es gibt Einzelpersonen die es stört, wenn jemand von sich sagt Veganer zu sein und dennoch Tierprodukte isst ohne darin ein Problem zu sehen. Genauso wie es so manchen Vegetarier irritiert, wenn Vegetarismus für manche Menschen mit Fischkonsum einhergeht. Offensichtlich ist es eine persönliche Entscheidung der Person, aber eben eine persönliche Entscheidung die dennoch kritisch hinterfragt werden kann und auch Implikationen für andere Menschen und andere Tiere hat.
Das einzige was passiert, wenn man sich als Veganer bezeichnet aber manche Tierprodukte unproblematisch findet, ist dass man sich Kritik aussetzen muss. Und, dass das okay ist möchte ich an einem Beispiel verdeutlichen. Stellt euch vor ihr macht einen Blog auf über antirassistische Arbeit in dem ihr immer wieder rassistische Wörter benutzt. Auf die Hinweise der Leser hin, dass es ja wohl echt nicht okay ist menschenverachtende Wörter zu benutzen, sagt man dann, dass es ja wohl besser ist als gar nicht antirassistisch zu sein, und ihr hättet eure persönlichen Gründe das sagen zu dürfen. Hier gibt es dann zwei Möglichkeiten. Entweder man kann erklären, wieso sein Verhalten nicht rassistisch ist oder man gibt zu, ja, stimmt, da bin ich wohl doch irgendwie etwas rassistisch. Da werde ich dran arbeiten (oder es eben so lassen und weiter vor mich hin ein wenig rassistisch sein).
Man hat auf den Vorwurf “Du bist kein echter Veganer…” zwei Antwortmöglichkeiten:
– Doch. Ich bin Veganer weil….. (und hier erklärt man sinnvoll, wieso das angeblich unvegane Verhalten doch okay ist).
– Nein. Du hast recht. Ich bin kein Veganer. Ich höre auf es zu sagen/Ich werde es weiter sagen, der Einfachhaltshalber, dann aber damit klar kommen müssen diesen Kritikpunkt öfter hören zu müssen.
Das alles bedeutet natürlich nicht, dass es nicht Veganer gibt die blöde Kommentare machen und dumme Sachen sagen. Die gibt es allerdings genauso unter “Herbivoren”, Fleischessern und allem zwischendrin. Ich höre nicht auf Veganer zu sein, weil es ein paar Idioten gibt denen ich nicht zu stimme, so wie ich nicht aufhören würde antirassistisch und feministisch zu sein, nur weil Leute dann “an was falsches” denken und es wohl echt irgendwo Leute geben soll die sich feministisch und antirassistisch nennen, und die echt blöd sind. Um so mehr ein Grund mit gutem Beispiel voran zu gehen und die Wörter positiv umzuwerten.
Im Endeffekt halt ich es allerdings, denke ich, für gut, dass eine Seite wie Happy Herbivore klar macht, dass es ihr nicht um Veganismus und Tierrechte geht. Dass sie sich vor Allem aus gesundheitlichen Gründen pflanzlich ernährt und das damit deutlich macht. Die Art und Weise wie sie argumentiert (ihr bösen Veganer seid alle Schuld) kann ich natürlich nicht gutheißen. Auf die Spitze getrieben wurde das natürlich noch ein mal von Attila Hildmann. Wer errinnert sich nicht gerne an Sätze wie
„Diese ganze Veganerszene ist durchsetzt von Missionaren. Schon mal was von Leben und Leben lassen gehört? Ihr müsst nicht ständig versuchen, Leute zu missionieren. Lebt einfach euer Ding und hört damit auf, ständig Leute zu kritisieren, die Fleisch essen wollen. Ich esse seit 10 Jahren vegan, mir gehts wunderbar. Aber bei euren Kommentaren krieg ich ernsthaft Lust auf Schnitzel, Käse und Steak! Vegan-Nazis sind out!“
Hier ist der Punkt in dem ich mir auch fast wünsche auch er würde den Begriff Veganismus einfach ganz links liegen lassen. Mit “Vegan for fit” und “Vegan for fun” im Gegensatz zu “Vegan for the Animals” wird zwar die Zielrichtung schon klar, aber für Leute ausserhalb der veganen Szene kann ja nicht klar sein, dass Veganer so sind. Genauso wie manche Leute nicht mit den “verrückten Tierschützern” unter einen Hut wollen, so will ich beispielsweise nicht mit Gesundheitsfanatikern die unqualifizierte Ernährungstipps geben, gleichgesetzt werden.
Da dieser Post bereits viel zu lang ist möchte ich nur kurz auf den Trugschluss eingehen, den sowohl Happy Herbivore als auch Hildmann benutzen. Den “Leben und Leben lassen” Punkt. Denn offensichtlich bin ich als Veganerin, der die Tiere wichtig sind, an einem friedlichen Zusammenleben interessiert. Nur ist das für nichtmenschliche Tiere nicht möglich in einer Welt in der sie brutal als Nutztiere missbraucht werden. Toleranz kann immer nur so weit gehen wie das Verhalten der anderen niemandem seine Rechte nimmt. Und unveganes Verhalen nimmt den Tieren ihre Rechte und ihre Möglichkeit auf selbstbestimmtes Leben. Deswegen kritisiere ich es. Auch wenn es nervt und niemand gerne kritisiert wird.
11 Comments
Super Einstellung, ich sehe das ganz genauso. Ich verurteile keine Nicht-Veganer oder Leute, die ab und zu Honig essen oder noch ihre alten Lederschuhe auftragen, weil es eben niemanden was bringt, die wegzuwerfen, wenn sie eigentlich noch gut sind. Aber jemand wie Attila Hildmann, der sich mit dem Wort vegan schmückt und damt Geld verdient, muss eben “leider” damit leben, dass er auch kritisiert wird für einige Sachen.
Da geht es meiner Meinung nach nicht darum, wer veganer und besser ist als der andere, sondern einfach darum, as vegan as possible zu sein. Und Attila würde ohne seine Leder Nikes bestimmt nicht zu Grunde gehen…
Danke. 🙂 Ich sehe auch auf jeden Fall einen großen Unterschied dazwischen alte Lederschuhe zu tragen und neue zu kaufen.
Und bei der Honigfrage angeht… es ist halt etwas anderes wenn eine recht bekannte vegane Köchin in ihren Rezepten Honig stehen hat, als wenn irgendjemand privat bei sich zu Hause merkt “oh, in dem Keks ist ja Honig drin, naja, die Packung esse ich trotzdem auf”.
Das Problem mit dem “vegan und besser sein” kommt ja eher wenn man vergleicht zwischen Menschen die das Privileg haben sich Dinge aussuchen zu können und denen die da nicht die finanziellen (oder anderen) Möglichkeiten haben. Aber wie du richtig sagst, denke ich nicht, neue Sneaker in vegan oder nicht vegan der Punkt sein können. Gerade wenn vegane Deichmann Turnschuhe beispielsweise eher billiger sind als Nike..
Hallöchen,
klasse Post. Kurzer Einwand, da korrekte Information doch recht wichtig für eine vegane Lebensweise ist: Deichmann macht keine Aussage darüber, ob seine Schuhe vegan sind. Bei Schuhen wird meines WIssens noch immer Knochenleim benutzt.
Ich greife da lieber zu vernünftigen veganen Schuhe, die halten in der Regel auch länger als Deichmann-Ware.
Schöne Grüße
Lutz
Hi Lutz, Ich hab grad noch mal meinen Beitrag durchgelesen um zu schauen worauf du dich bei dem Deichmann-Kommentar beziehst, aber ich finde es nicht. Kannst du mir da weiterhelfen?
Ich selbst besitze zur Zeit drei paar Schuhe: nicht-leder-Fußballschuhe von Nike, die so garnicht ethisch okay sind und zwei paar Vegetarian Shoes. Wenn die Nike Schuhe kaputt sind werde ich wieder auf die Suche gehen nach vernünftigen veganen Fußballschuhen (was gar nicht so einfach ist). Bis dahin ist es mir lieber keine weiteren Schuhe zu kaufen aus ökologischen Gesichtspunkten. Deichmann hab ich auch schon seit Jahren nicht mehr von Innen gesehen, sehe bei denen aber auch eh das große Hauptproblem darin, dass die Schuhe meist nicht lange halten.
Danke aber für den Kommentar, ich hatte nämlich wirklich gedacht gelesen zu haben, dass Deichmann Schuhe oft vegan seien. Aber wahrscheinlich war das nur irgendwo ein Gerücht.
Liebe Grüße, Lea
als Vegetarierin, die ab und zu gerne Fisch ißt, weiß ich genau wie blöd es sich anfühlt, nicht ernst genommen zu werden als Vegetarierin, obwohl man eigentlich seine ganze Lebensweise (mit ein paar Ausnahmen eben) umgestellt hat. Aber das kann ich – im Gegensatz zu Hildmann und co. – ganz gut ab. Es ist eben so: wenn man kritikwürdig lebt (und wer tut das nicht in nahezu allen Lebensbereichen) dann muss man Kritik auch vertragen können, ohne die Kritiker als Polizisten oder als Nazis zu bezeichnen…
Du argumentierst hier sehr klug und richtig, ich kann auch als Nichtveganerin (zumindest als nichtpraktizierende) alles unterstreichen was du sagst.
ich fand die Entscheidung von Nixon damals richtig – wenn ich mich nicht vegan ernähre, dann sollte ich mich auch nicht so nennen, Punkt.
Ob man das nun irgendwem anders in die Schuhe schieben muss, ist eine andere Frage, sie hätte schließlich auch sagen können, dass ihre Kritiker eigentlich recht haben und dass sie so gesehen nicht vegan lebt, Punkt.
‘Ich bin kein Veganer mehr’ verkennt als Satz Tatsachen, ich bin nunmal ein Veganer, wenn ich keine tierischen Sachen nutze, egal ob ich mich nun so nenne oder nicht, ich falle dann unter die Definition.
Das ist wie mit Leuten, die sich Vegetarier nennen aber doch ab und an Fleisch essen, da gibts auch ein Wort für: Flexitarier, vielleicht will ich kein Flexi-, Pesce- oder sonstwas-tarier sein, aber das sind dann nunmal die Realitäten.
Ja, man kann rumdiskutieren, ob vegan denn so 100%ig möglich ist und ob sich dann überhaupt irgendjemand vegan nennen darf, da es da eben keine vernünftige Grenzziehung gibt, aber wer alle zwei Wochen bei Omas Kaffeetafel zur Sahnetorte greift, der sollte sich schon fragen, ob der Begriff “vegan” in seinem Fall wirklich angebracht ist und nicht darauf verweisen, dass richtig vegan ja nicht geht, weil sich nicht immer alles vermeiden lässt.
Zu H. sag ich aus Prinzip schon nix, es gäbe ja den Begriff Veganköstler, der ihm schon ein paar mal angetragen wurde, das findet er aber wohl nicht hip genug.
Habe über Deine Beiträge bei vollvegan hergefunden: super Blog!
Den Vergleich mit dem Honig und den Fischen finde ich auch recht passend.
Als Vegetarier hat es mich immer gestört, wenn Leute dachten, sie könnten mir Fisch andrehen und dann sagen “Ich kenne aber einen Vegetarier, der würde das jetzt auch einfach essen.”
Ähnlich ist es jetzt als Veganer mit Honig.
Es gibt Leute, die laufen in der Welt rum, bezeichnen sich als Veganer und essen Honig. Dann bekomme ich ein Sorbet mit Honig serviert und keiner versteht, warum Honig denn nicht vegan ist, essen doch auch viele Veganer!
Ich finde fantastisch, wenn Leute sich dazu entschließen, Fleisch, Eier und Tiermilch aus ihrem Speiseplan zu verbannen. Aber wenn sie “Vegan”-T-Shirts tragen und dann Salat mit unveganem Essig und als Nachspeise eine überbackene Honigbanane essen… dann müssen wir uns das Genörgel anhören, warum wir das denn nicht essen möchten.
Freut mich 🙂
Genau. Es geht dabei nicht darum zu sagen “es ist überhaupt nichts wert auf Tierprodukte außer auf honig zu verzichten” sondern darum nicht zu sagen, dass Honig vegan sei. Persönliche Entscheidungen schön und gut, aber die Definitionen haben ja auch einen Sinn.
Echt toller Post.
Ich schließe mich gleich dem letzten Kommentar an, da ich finde, dass das genau das größte Problem an der Sache ist, sich selbst als etwas zu bezeichnen, was man nicht(?) ist. Die “Wortentwertung”.. Wenn ich mich vegan ernähre, dann esse ich nunmal keinen Honig.. Wenn ich aber nun allen sage, dass ich vegan bin, eine Bezeichnung, bei der sowieso viele Leute nicht genau wissen, was sie damit anfangen sollen, und dann trotzdem Honig esse, müssen sich Leute die “wirklich” vegan leben/essen, wieder neu erklären, da es ja scheinbar VeganerInnen gibt die Hong essen. Veganismus ist nunmal ein Wort, das eine gewisse Lebensform oder auch nur eine Art sich zu ernähren definiert, und wenn man dieser Definition nicht entspricht, ist es wohl besser sich “VeganerIn mit Ausnahmen” zu bezeichnen, sodass z. Bsp. Leute in (unveganen) Restaurants, nicht jedes Mal eine andere Erklärung bekommen, was Veganismus jetzt eigentlich heißt.
Und das mit der Kritik hast du finde ich auch sehr schön geschrieben. Ich werde auch oft dafür kritisiert, dass ich reite, weil ich da ja auch Tiere “nütze”, und ich denke bei solchen Fragen, sollte man einfach für sich nachdenken, ob man es mit seiner Lebensweise vereinbaeren kann und für sich selbst die Erklärung haben: “Ich denke ich lebe trotzdem vegan, weil..” oder eben (meine “Selbst-definition” ;PP) “Ich ernähre mich vegan und versuche auch die anderen Bereiche so gut es geht zu veganisieren, auch wenn es vielleicht noch ein langer Weg ist.”
Achja und zu dem “Vegan Nazis”. Wenn jemand sich selbst Sportler nennt und vielleicht einmal im Monate laufen geht, muss er/sie doch auch damit rechnen, dass das vielleicht nicht die richtige Selbsteinschätzung ist. Wird er sie dann, als “Sport-Nazi” bezeichnet..
Ui, schon wieder viel zu viel geschrieben.. ;pp
Alles alles Liebe,
Nora ^.-^…*
Sehr schöner Kommentar zur Thematik.
Schade nur, dass du dich für Feminismus anstatt Antisexismus entschieden hast 😉
Das geht Hand in Hand…